Als allgemein bekannt dürfte heutzutage gelten, dass sich durch die zunehmende Globalisierung und der damit einhergehenden Dichte der Marktanbieter, Produkte immer mehr angleichen und Dienstleistungen austauschbarer werden. 

So weit, so gut und auch korrekt, denn schließlich werden durch den steigenden Konkurrenzdruck zunehmend auch mittelständische Unternehmen und die sogenannten Hidden Champions gezwungen, sich mit dem Ausbau und der Optimierung ihres Markenauftritts auseinanderzusetzen.

Markenbildung – der heilige Gral

Dass die Markenbildung ein wertvolles Instrument für den Ausbau und die Stärkung der Positionierung von Unternehmen in ihren Märkten ist, darüber sind sich deren Entscheider weitgehend einig. 

Uneinigkeit herrscht dagegen, welche Theorien, Prozesse und Modelle einer im Unternehmen verankerten Markenführung zu Grunde liegen sollten. Kein Wunder, denn für Designagenturen und Berater ist das eigene Markenmodell auch ein wichtiges Differenzierungsmerkmal und wertvolles Verkaufsinstrument der Auftraggeberakquisition. 

Dementsprechend gibt es viele Ansätze. Doch auch wenn sich die theoretischen Modelle – inhaltlich und grafisch aufbereitet – voneinander unterscheiden, sind die strategischen Analyse-, Lösungsfindungs- und Designprozesse, in der für die Praxis relevanten Umsetzungsphase, vergleichbar. 

Nach wie vor angesagt sind Brandprozesse, die die Emotionalisierung von Marken in den Vordergrund stellen(1). Warum?

 

stay golden Markenmodell, Brand Management

Wahr ist, dass in den übersättigten Märkten unserer multimedialen Gesellschaft, die Marken und Produktauswahl heute nicht mehr allein auf rationalen Entscheidungen basiert, sondern vermehrt an emotionale Gründe gekoppelt ist. Unternehmen wie beispielsweise Apple, Dyson, Nike und Festo schlagen gekonnt die Brücke zwischen technischer Innovation und sinnlicher Produkterfahrung. 

Ein Produkt – unabhängig von qualitativen Eigenschaften, technischem Innovationsgrad und mehrender Konkurrenz – mit einer Positionierung als Happy Product2 besser verkaufen zu können, ist ein Ziel vieler Unternehmen.

Warum es unsinnig ist bei der Markenführung einseitig an Emotionen zu appelieren

Den wissenschaftlichen Hintergrund liefert uns der portugiesische Neurowissenschaftler António Damásio 
in seiner Abhandlungen „Descartes’ Irrtum“ (im Original: Descartes’ Error: Emotion, Reason, and the Human Brain, 1994). 

In dieser Abhandlung untersucht er die Wechselwirkungen zwischen Körper und Bewusstsein. Er beweist durch zahlreiche empirische Untersuchungen, dass die jahrhundertelang angenommene, vor allem von René Descartes aufgestellte Behauptung, von der Trennung zwischen Körper und Geist (Dualismus), ein Irrtum ist. Stattdessen stellt er fest, dass ein unauflösbarer Zusammenhang zwischen Körper und Geist besteht, die sich ständig gegenseitig beeinflussen. 

Damásio beweist mit seinen Experimenten, dass Emotionen rationale Entscheidungen nicht beeinträchtigen. Eher Gegenteiliges, denn ohne Emotionen und Gefühle wäre es unmöglich, vernünftige Entscheidungen zu treffen. 

Emotion und Ratio sind also untrennbar miteinander verbunden, die Emotion essentieller Teil der Ratio und damit der Vernunftsentscheidung. De facto macht es keinen Sinn einseitig an Emotionen zu appelieren, wenn diese nicht an rationale Dimensionen gebunden sind. 

Soweit die Wissenschaft. Aber warum werden dann in einigen Markenmodellen Emotionen häufig losgelöst und manchmal gar als Ersatz für tatsächlich, erfahrbare Leistungen betrachtet?

Buzzword „Storytelling“

Auch beim aktuellen Trend Storytelling ist die Emotion ein zentraler Aspekt. Das Storytelling folgt der Vorstellung, dass spannende Geschichten Konsumenten und Kunden an eine Marke binden können. 

Als schwer kopierbares Alleinstellungsmerkmal soll die Brand Story die Abgrenzung zu den Mitbewerbern unterstützten. Beim Storytelling wird das persönliche Erleben vor eine sachlich-logische Argumentation für das Produkt/Unternehmen gestellt. 

Leider hat nicht jedes Unternehmen einen geeignete Historie oder einen weltverändernden Entrepreneur à la Steve Jobs oder Richard Branson in den eigenen Reihen. Und allein mit guten, spannenden Geschichten rund um ein Unternehmen oder dessen Gründer und Mitarbeiter lassen sich noch keine Produkte verkaufen oder gar eine Marke langfristig am Markt etablieren. 

Doch für Agenturen und Unternehmen ist es verlockend und erst einmal deutlich einfacher eine schöne, emotionale Bilderwelt zu entwickeln, als mühsam nach wahrhaftigen, bedeutsamen und faktisch erlebbaren Leistungen zu suchen. 

Dies gilt besonders für klein- und mittelständische Unternehmen, z.B. aus der Bau- und metallverarbeitenden Industrie, die keine Lifestyleprodukte (Mode, Sport, Food & Beverage, Elektronik) an Endverbraucher verkaufen. 

Viele Hidden Champions und B2B-Unternehmen produzieren und vertreiben Spezialbauteile, Zulieferprodukte und Werkstoffe, die auf den ersten Blick mit Emotionen soviel zu tun haben, wie ein Fisch mit Radfahren.

Fazit

Erst Hirn, dann Herz! Damit ein theoretischer Ansatz wie z. B. das Storytelling die Markenbildung fördern und stärken kann, muß ein substanzieller Unterbau vorhanden sein, der auf real greifbaren Leistungen des Unternehmens oder Produktes basiert.

Ohne nachvollziehbare, erlebbare Leistung, lässt sich keine emotionale Bindung oder Reaktion hervorrufen!